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Samstag, 29. April 2006
19:30 Uhr

Markus Tyroller

begleitet am Flügel
den Scherenschnittfilm

Die Abenteuer
des Prinzen Achmed


Eintritt 5 €

    

Lotte Reiniger schuf in den 20ern den ersten abendfüllenden Trickfilm. Lotte Reiniger war eine besondere Frau. Bereits mit sechs Jahren beherrscht sie den chinesischen Scherenschnitt perfekt. Sie fertigt eigene Puppentheater an – ihre Familie wird zum Publikum. Später besucht sie eine Schauspielschule in Berlin, dreht als 17-Jährige erste Kurz- und Werbefilme. Ihre Liebe zum Scherenschnitt nimmt damit kein Ende. Im Jahre 1926 dreht sie ihr filmisches Meisterwerk: "Die Abenteuer des Prinzen Achmed". Fliegendes Pferd Flöten und Rasseln – orientalische Klänge ertönen. Der Kalif von Bagdad feiert Geburtstag! Eine gewaltige Gefolgschaft wird aus den Toren seines prächtigen Palastes gespuckt. Dicke Elefanten tragen den Kalifen auf einer Sänfte herbei, Gaukler verdienen sich ein paar Goldmünzen mit ihren Späßen. Es wird gelacht und getanzt. Plötzlich fliegt ein Mann auf einem Zauberpferd herbei. "Beim Barte des Propheten!", ruft der Kalif. Er ist so fasziniert von dem wundersamen Schauspiel, dass sich der Fremde einen seiner Schätze aussuchen darf. Dieser wählt den schönsten Schatz: die Tochter des Kalifen, Prinzessin Dinarsade. Der Tauschhandel Pferd gegen Tochter ist perfekt. Da lockt der Fremde – es ist ein böser Zauberer – den Sohn des Kalifen, Prinz Achmed, auf das Zauberpferd und es steigt mit ihm den Himmel empor. Eine abenteuerliche Reise durch die geheimnisvolle Welt des Orients beginnt. Verfolgte Fee Prinz Achmed landet auf der Insel Wak-Wak, die von furchterregenden Dämonen beherrscht wird. Pari Banu, die schöne Fee der Insel, badet gerade mit ihren Dienerinnen in einem See, als er sie mit verliebten Augen beobachtet. Es dauert nicht lange und sie küssen sich. Gemeinsam machen sie sich auf die gefahrvolle Reise zurück in seine Heimat – verfolgt von den schrecklichen Dämonen, die Pari Banu auf die Insel zurückholen wollen. Auf der Reise macht das Liebespaar Bekanntschaft mit dem verzweifelten Aladin, der nach der entführten Dinarsade sucht. Eine gruselige Hexe mit den knochigen, langen Fingern hilft ihnen mit ihren Zaubertricks. Dass sie den Weg zurück in die Kalifenstadt finden und den bösen Zauberer besiegen werden, das steht außer Frage. Bedient sich Lotte Reiniger in ihrem bekanntestem Werk, "Die Abenteuer des Prinzen Achmed", doch der vielen Motive aus den märchenhaften Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht. Vor dem erwarteten und doch mit Spannung hinausgezögerten Happy End müssen die Helden der Geschichte allerdings noch so manches Ungeheuer bezwingen. Zaubernde Hände Es ist nicht nur die Geschichte des Prinzen Achmed, die heutige Zuschauer des Films fasziniert. Es ist vor allem die Art, wie Lotte Reiniger die Geschichte umsetzte. Mit der Technik des Scherenschnitts schuf sie aus unzähligen Lagen schwarzem Fotokarton ihre filigranen Figuren und die Kulisse für das abenteuerliche Märchen im Orient. Jedes einzelne Teil der Kulisse und jede Figur schnitt sie dabei mit ihren geschickten Händen aus, platzierte sie vor einem Hintergrund und machte Fotos der so entstandenen Szenen. Die einzelnen Glieder ihrer grazilen Gestalten verband sie mit Draht, um sie für die Aufnahmen zu animieren. Als Hintergrund dienten ihr transparente Lagen aus einfachem Butterbrotpapier. Aus insgesamt über 250 000 Einzelbildaufnahmen schuf sie auf diese Weise in nur drei Jahren einen Film von 71 Minuten Länge. Der erste abendfüllende Trickfilm der Filmgeschichte war geboren. Und zum ersten Mal gab es dabei eine genau auf die Bilder des Animationsfilms abgestimmte Musikkomposition. Einer von nur fünf Mitarbeitern kreierte sie. So ergaben Bild und Ton erstmals in einem Trickfilm eine Einheit, die die Emotionen der Hauptakteure gekonnt zu vermitteln weiß. Sympathische Silhouetten Ein Film, komponiert aus unzähligen Scherenschnitten – das begeisterte die Zeitgenossen. Bertolt Brecht etwa bescheinigte der gebürtigen Berlinerin einen "fast asiatischen Fleiß", der französische Filmregisseur Jean Renoir sagte über "Die Abenteuer des Prinzen Achmed" und seine Schöpferin: "Ein Meisterwerk! Sie wurde mit zaubernden Händen geboren!" Die Anmut, der Charme und zuweilen auch der Witz der sympathischen Silhouetten in dem Scherenschnitt-Abenteuer machen das Pionierwerk der außergewöhnlichen Künstlerin auch heute noch zu einem eindrucksvollen Erlebnis.

Lotte Reiniger (1899-1981)

Schon als Schülerin beschäftigte sich die geborene Berlinerin mit Silhouetten und dem Schattentheater. Beeindruckt von den frühen Filmen Paul Wegeners, wollte sie Schauspielerin werden und besuchte die Max-Reinhardt-Schule am Deutschen Theater Berlin. Ein selbstgebastelter Tricktisch und das im Jahr 1907 in Amerika erfundene Verfahren, mit der Kamera Einzelbilder aufnehmen zu können, wurden fortan ihre Arbeitsmittel. Durch Paul Wegener kam Lotte Reiniger an das Institut für Kulturforschung zu Dr. Hans Curlis und Carl Koch, ihrem späteren Mann. Dort entstand 1919 ihr erster eigener Film "Das Ornament des verliebten Herzen". Nach Werbefilmen für Julius Pinschewer folgten mehrere Märchenverfilmungen, u.a. "Aschenputtel" (1922), der als Stummfilm noch erhalten ist. Von 1923 bis 1926 arbeitete Lotte Reiniger in Berlin zusammen mit Carl Koch, Walther Ruttmann und Berthold Bartosch an ihrem berühmtesten Werk, das als erster abendfüllender Trickfilm in die Filmgeschichte einging: "Die Abenteuer des Prinzen Achmed". Dieser Film wurde im Verlag Wasmuth, Berlin/Tübingen auch als Buch verlegt. Gleich zu Beginn des Dritten Reiches kehrte Lotte Reiniger Deutschland den Rücken "weil mir diese Hitlerveranstaltung nicht paßte und weil ich sehr viele jüdische Freunde hatte, die ich nun nicht mehr Freunde nennen durfte". Im Jahre 1936 verließ sie Deutschland und ging nach London. 1943 kehrte sie noch einmal nach Berlin zurück. Da es 1945, nach Kriegsende, kaum Möglichkeiten zum Filmen gab, inszenierte sie für die "Berliner Schattenbühne" mit ihrer Freundin Elsbeth Schulz die Märchen "Brüderchen und Schwesterchen", "Gestiefelter Kater" und "Dornröschen". 1949 zog sie endgültig nach London. Lotte Reiniger machte nicht nur eigene Filme, sondern arbeitete auch an Filmen anderer Regisseure mit. Hauptsächlich gestaltete sie aber eine ganze Reihe von Filmen nach den Märchen der Gebrüder Grimm und Hans Christian Andersen und den Geschichten aus Tausend-und-einer-Nacht. Ihre Grimm-Interpretation "Das tapfere Schneiderlein" gewann 1955 bei der Biennale Venedig den "Silbernen Delphin" (1. Preis für Kurzfilme). Im gleichen Jahr entwickelte sie die ersten Silhouettenfilme mit farbigem Hintergrund. Ihr Mann Carl Koch arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 1963 bei der Herstellung ihrer Filme mit. 1969 besuchte Lotte Reiniger auf Einladung des Kommunalen Kinos Frankfurt am Main (Walter Schobert) und des damaligen Arbeitszentrums Jugend Film Fernsehen München (Hans Strobel) Deutschland zum ersten Mal seit ihrer Emigration, was zu einer Wiederentdeckung ihres Filmschaffens in der Bundesrepublik und zu späten Ehrungen (1972 Filmband in Gold, 1979 Bundesverdienstkreuz) führte. Neben ihren Filmproduktionen unternahm sie bis ins hohe Alter immer wieder Vortragsreisen. Lotte Reiniger starb 82jährig im Juni 1981 in Dettenhausen bei Tübingen, wo sie die letzten Monate bei der Pfarrersfamilie Happ verbrachte, die sich wie sie dem Schattenspiel widmet. Ihr Nachlass befindet sich im Stadtmuseum Tübingen.

 

 
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